JHW Wiesloch e.V.
Wir fördern justiznahe soziale Arbeit in den Landgerichtsbezirken Heidelberg und Mannheim
Historie
Bis Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war die gebotene erzieherische Ausgestaltung des Jugendarrestes in der damaligen Jugendarrestanstalt Wiesloch im ehemaligen "Amtsgefängnis" neben dem Amtsgericht nur ansatzweise möglich. Das Justizministerium Baden-Württemberg konnte trotz fortwährender Bemühungen der Anstaltsleitung keine ausreichenden Mittel zur Durchführung der sozialen Betreuungsarbeit bereitstellen.
Eine Chance zur Beseitigung der unbefriedigenden Verhältnisse wurde letztendlich in der Selbsthilfe gesehen. Zu Beginn des Jahres 1987 reifte die Idee zur Gründung eines Vereins, dessen Zweck die pädagogische und soziale Betreuung von jungen Menschen in der Jugendarrestanstalt Wiesloch sein sollte. Mit den Zuweisungern von Geldauflagen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften wollte man die Aufgaben finanzieren.
Motor dieser Entwicklung war der damalige Anstaltsleiter und Direktor des Amtsgerichts, Walfried Müller. Ihm gelang es binnen kurzer Zeit, genügend Mitstreiter zu gewinnen. Am 09.04.1987 fand im Sozialraum des Amtsgerichts Wiesloch die Gründungsversammlung statt, an der 15 Personen teilnahmen. Diese waren beim Amtsgericht Wiesloch, in der Jugendarrestanstalt und beim Jugendamt des Rhein-Neckar-Kreises beschäftigt. Niemand von ihnen ahnte zu diesem Zeitpunkt, welches Ausmaß das zukünftige Engagement des Vereins annehmen sollte.
Schon bald gliederten sich die Aufgaben schwerpunktmäßig in vier Bereiche:
- Anschaffung und Unterhaltung von Arbeits-,
Sport- und Spielgeräten
- erzieherische Betreuung der Arrestantinnen und
Arresttanten durch qualifizierte Fachkräfte
- regelmäßige Fortbildung der Beschäftigten des
Vereins und der Jugendarrestarrestanstalt sowie
gemeinsame Fortentwicklung des Betreuungs-
konzeptes
- Förderung einmaliger und laufender
Betreuungsprojekte innerhalb des Arrestvollzuges
Zielgruppe der Arbeit waren junge Straffällige, die aus vielerlei Gründen mehr oder weniger große Defizite in ihrer psychischen, sozialen und nicht selten auch in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung erfahren hatten. Neben dem Aufzeigen von Grenzen ging es darum, Zeichen zu setzen, Perspektiven zu entwickeln und positive Entwicklungsprozesse anzustoßen bzw. zu unterstützen. Professionelles Fördern und Fordern wurde zu einem tragenden Bestandteil der täglichen Arbeit.
Die erzieherischen Arbeit verlangte eine fortwährende Überprüfung und ständige Weiterentwicklung. Dies war in der vorgegebenen räumlichen Enge und der breit gefächerten Problematik der jungen Menschen nur im Miteinander möglich. Deshalb war es von Anfang an das Bestreben des Vereins, alle Beschäftigten in der Jugendarrestanstalt in die soziale Arbeit einzubinden und ständig weiterzubilden. Hoch motivierte und gut ausgebildete Beschäftigte des Vereins arbeiteten fortan Hand in Hand mit engagierten Beschäftigten der Justiz, Köchinnen, Lehrern, Ärzten und Angehörigen vieler anderer Berufsgruppen, die im Lauf der Jahre haupt- und nebenberuflich sowie ehrenamtlich im Arrestvollzug tätig waren. Die Integration des Vereins in den Tagesablauf der Anstalt war bald soweit fortgeschritten, dass sich niemand mehr die Bewältigung der täglichen Anforderungen ohne seinen Einsatz vorstellen konnte.
Daneben führte der Verein von 1991 bis 1999 als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe den Täter-Opfer-Ausgleich im Bereich des Jugendstrafrechts durch. Zwei Sozialpädagogen und eine Sozialpädagogin waren hier nebenamtlich in dem zum Landgerichtsbezirk Heidelberg gehörenden Teil des Rhein-Neckar-Kreises tätig.
Ende September 2010 wurde die Jugendarrestanstalt Wiesloch geschlossen. Die direkte und überaus schmerzhafte Folge war das Wegbrechen des satzungsgemäßen Vereinszwecks. Umso wichtiger war daher die bereits seit einigen Monaten bestehende Kooperation mit den Jugendämtern des Rhein-Neckar-Kreises und der Stadt Heidelberg zur paritätischen Finanzierung von Anti-Aggressions-Trainings für straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende. Erst diese Vereinbarung, die nun zum Rettungsanker für das Jugendhilfswerk werden sollte, hatte die flächendeckende Einrichtung des längst überfälligen Anti-Aggressions-Trainings im Landgerichtsbezirk Heidelberg möglich gemacht. Ohne sie hätte der Verein womöglich vor der Auflösung gestanden.
Es folgte ein langer und schwieriger Findungsprozess, der letztendlich zu einer Neuausrichtung des Vereinszweckes und neuen Kooperationen führte. Als "Förderverein" finanziert das Jugendhilfswerk heute pädagogische und soziale Aufgaben an Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Nach wie vor gilt das besondere Augenmerk straffällig gewordenen oder von Straffälligkeit bedrohten jungen Menschen. Ihnen soll mit den von Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Jugendhilfe im Strafverfahren zugewiesenen Mitteln der Weg in eine straffreie, eigenverantwortlich gestaltete, lebenswerte Zukunft durch berufliche Integration und soziale Teilhabe ermöglicht werden. Dies ist Kriminalprävention im besten Sinne und zugleich eine wertvolle Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.
Fotoimpressionen aus dem Jahr 2004
Mauerdurchgang auf das Anstaltsgelände, Eingang in das Hauptgebäude, Zeichnung eines Arrestanten von Zelle 12,
Holzwerkstatt und Hauptgebäude